News

IFHIAS Wissenschaft

20. Januar 2020

Faszien – alles klar?!

Faszien – alles klar?!

Es ist in der Fitnessbranche weithin akzeptiert, dass die Faszien einen zu berücksichtigenden Aspekt im Training darstellen sollten. Insbesondere zum „foam rolling“ (FR) gibt es viele Überlegungen und Theorien. Die Reviews von Wilke et al. (2019), Wiewelhove et al. (2019) und Freiwald et al (2016) haben die empirischen Evidenzen zum FR, d. h. die in wissenschaftlich fundierten Studien nachgewiesen Effekte, zusammengefasst:

Grundlagen:


a) In der Fitnessbranche werden sechs Faszien-Linien als Fakt propagiert. Allerdings zeigt sich nur für die Annahme der oberflächlichen Rücken-, der funktionellen Rücken- und der funktionellen Frontallinie eine praktisch bedeutsame empirische Evidenz. Nur eine moderate empirische Evidenz zeigt sich für die spirale und laterale Faszienlinie. Keine empirische Evidenz konnte für die oberflächliche Frontallinie gefunden werden.


b) Wenngleich in der Fitness-Branche gern anders behauptet, sind weder Funktion noch Physiologie der Faszien-Linien bisher gänzlich von der Wissenschaft verstanden.


c) Die gern als Wow-Fakt genutzten kontraktilen Fähigkeiten des Fasziengewebes sind äußerst gering und die Einflussfaktoren benötigen noch mehr empirische Forschung.

Risiken von FR:


Beim FR können zehnfach höhere Druckkräfte als bei der höchsten medizinischen Kompressions-Kategorie 4 bzw. doppelt so hohe Druckkräfte wie bei Okklusionsstudien entstehen, wenn bspw. das gesamte Körpergewicht beim FR eingesetzt wird. Die besondere Anatomie des Fasziengewebes ist nicht für solch hohe Druckkräfte geeignet. Diese können hypothetisch Schäden an Bindegewebe, Nerven, Gefäßen und Knochen verursachen – insbesondere bei vorliegenden metabolischen oder Erkrankungen des peripheren Nervensystems, Diabetes, Osteoporose oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit.


Nutzen von FR:

Warm-up („pre-rolling"):

· Ein Effekt des FR hinsichtlich einer Leistungssteigerung konnte bisher nur für Sprints nachgewiesen werden. Für Fitness-Sportler*innen dürfte die Steigerung der Sprintleistung um 0,3 % jedoch nicht im Vordergrund stehen. Generell steigert FR als Warm-Up-Maßnahme nicht die Leistungsfähigkeit hinsichtlich Maximalkraft, Explosivkraft und anaerober Kapazität. Im Vergleich zeigte sich eine konventionelle Erwärmung auf dem Fahrradergometer hinsichtlich eines anschließenden Leistungstests im Counter-Movement-Jump als überlegen.


· FR erhöht die Beweglichkeit kurzfristig, aber nicht besser als bspw. konventionelles statisches Stretching. Der kurzfristige Effekt konnte auch nicht für alle Anwender*innen gezeigt werden und unterscheidet sich zwischen Männern und Frauen, wobei die Gründe hierfür bisher nicht bekannt sind.


· Eine Wirkung von FR auf sensomotorische Funktionen und die Koordination konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Für ein konventionelles sportspezifisches Warm-Up sind diese Wirkungen jedoch vielfach nachgewiesen.


Ergo: Foam-Rolling ist kein adäquater Ersatz für ein konventionelles Warm-Up. Inwieweit es sinnvoll sein kann, Teile eines konventionellen Warm-Ups durch FR zu ersetzen, ist nach dem aktuellen Wissensstand zweifelhaft.

Regeneration („post-rolling“):

· Für Sprint- und Kraftleistungen konnte nur ein geringer Effekt von FR auf die Regeneration nachgewiesen werden.


· Es konnte ein Effekt auf die Reduktion der Wahrnehmung von Muskelkater durch FR gezeigt werden – allerdings nur mit geringer wissenschaftlicher Evidenz.


· Eine allgemeine Reduktion des Tonus von Muskulatur und Bindegewebe („Myofacial Release“) durch FR konnte bisher in keiner validen Studie nachgewiesen werden.


· Es gibt aktuell keinen Nachweis auf eine generell stressreduzierende Wirkung von FR.


Ergo: Eine beschleunigte bzw. verbesserte Regeneration durch Foam-Rolling erscheint in geringem Maße möglich, jedoch wurden bisher keine allgemeinen stress- oder tonusreduzierenden Wirkungen nachgewiesen.


Inwieweit der Nutzen des Foam-Rollings (inkl. Massage-Roller oder Sticks) die Risiken übersteigt, darf angesichts der bisher vorliegenden empirischen Ergebnisse mit Nachdruck infrage gestellt werden.


Freiwald, J., Baumgart, C., Kühnemann, M., & Hoppe, M. W. (2016). Foam-Rolling in sport and therapy – Potential benefits and risks: Part 1 – Definitions, anatomy, physiology, and biomechanics. Sports Orthopaedics and Traumatology, 32(3), 258-266. doi:http://dx.doi.org/10.1016/j.orthtr.2016.07.001
Freiwald, J., Baumgart, C., Kühnemann, M., & Hoppe, M. W. (2016). Foam-Rolling in sport and therapy – Potential benefits and risks: Part 2 – Positive and adverse effects on athletic performance. Sports Orthopaedics and Traumatology, 32(3), 267-275. doi:http://dx.doi.org/10.1016/j.orthtr.2016.07.002
Wiewelhove, T., Döweling, A., Schneider, C., Hottenrott, L., Meyer, T., Kellmann, M., . . . Ferrauti, A. (2019). A meta-analysis of the effects of foam rolling on performance and recovery. Frontiers in physiology, 10(376). doi:10.3389/fphys.2019.00376
Wilke, J., Müller, A.-L., Giesche, F., Power, G., Ahmedi, H., & Behm, D. G. (2019). Acute effects of foam rolling on range of motion in healthy adults: A systematic review with multilevel meta-analysis. Sports Medicine. doi:10.1007/s40279-019-01205-7


Anmelden

Username und / oder Passwort falsch!

Kundenkonto anlegen

Passwort vergessen?